Es ist Donnerstag, der 10. Dezember und ich lese gerade folgende Schlagzeile: „Trotz Teil-Lockdown: Wieder Höchstwert an Corona-Neuinfektion“. Nach gut 5 Wochen massiven Kontaktbeschränkungen ist die Bundesrepublik Deutschland zum zweiten Mal in ihrer Geschichte auf dem Weg in den vollen Lockdown.
Trotz näher rückender Impfstoff-Zulassung wird uns das Coronavirus also noch weit ins Jahr 2021 hinein begleiten. Mit all seinen negativen Folgen für Wirtschaft, Gesundheit und Psyche. Doch Corona muss nicht ausschließlich Belastung sein. Ayurvedisch betrachtet bietet uns COVID-19 eine einzigartige Chance, unser persönliches Entwicklungspotenzial zu entfalten.
Unser Umgang mit SARS-CoV-2 schürt Ängste
Infektions- und Reproduktionszahlen, 7-Tage-Inzidenzen, MNS-Masken: Neun Monate Corona haben ausgereicht, um viele von uns zu (Hobby-)Epidemiologen zu machen, und so manchen Virologen in den Stand eines Prominenten erhoben. In unserem Alltag ist das Coronavirus mit all seinen Gefahren längst omnipräsent – und hat sich wie eine Brille vor die Wahrnehmung unserer Lebenswirklichkeit geschoben. Doch diese Brille ist weder rosarot noch stärkt sie die Sehkraft. Sie wirkt verzerrend, engt den Blick ein und lässt uns allzu häufig schwarz sehen. Kurzum: Sie erzeugt Angst, Unsicherheit und Machtlosigkeit und befördert damit extreme Sichtweisen. Der perfekte Nährboden für gesundheitsdiktatorische Fantasien ebenso wie für Verschwörungstheorien und Abwehrhaltungen, die in teils aggressiven Protesten ihren Ausdruck finden. Die Folge ist eine Gemengelage, in der uns schlicht die geistige Fähigkeit der Unterscheidung abhandengekommen ist.
Im Ayurveda werden vier Erkenntnismittel beschrieben, mit Hilfe derer wir zu gültigem Wissen gelangen:
- die Unterweisung durch autorisierte Lehrer und Texte;
- die direkte Wahrnehmung durch unsere Sinne;
- die logische Schlussfolgerung;
- die Verifikation einer Vermutung durch Anwendung.
Haben wir diese vier Mittel genutzt, um die aktuelle Lage besser zu verstehen? Leider nein! Wir haben zu wenig kritische Autoritäten zu Wort kommen lassen, wir haben unsere eigenen Sinne weitestgehend ausgeschaltet und für uns persönlich kaum logische Schlussfolgerungen gezogen.
In unserem Geist gibt es drei Kräfte:
- TAMAS – das Prinzip von Ignoranz und Unwissenheit
- RAJAS – das Prinzip von Anhaftung und Abneigung
- SATTVA – das Prinzip von Klarheit, Unterscheidung und Erkenntnis
Nur durch Sattva können wir auf Basis unserer Unterscheidungsfähigkeit entschlossen handeln – zum Wohle Anderer und für uns selbst.
Mit Ayurveda zurück zu Balance und Mitte
Ayurveda ist der Weg der Balance und Mitte. Alle Extreme im Denken, Reden und Handeln führen zu Störungen unseres körperlichen, sinnlichen und geistigen Gleichgewichts. Wir müssen weder – wie zu Beginn der Pandemie – panikartige Hamsterkäufe vornehmen noch – wie aktuell zunehmend zu beobachten – unachtsam in Gruppen agieren, als wäre nichts geschehen.
Wir Menschen sind fähig, uns selbst um unsere Gesundheit zu kümmern und Verantwortung zu übernehmen. Durch unseren zuträglichen Lebensstil, eine ausgewogene Ernährung und mentale Balance stärken wir unser Immunsystem, das unser einziger nachhaltiger Schutz vor Infektionen ist.
SARS-CoV-2 ist ein Virus, der existiert. Viren gab es schon immer und wird es auch künftig immer geben. Manche von ihnen sind besonders virulent und damit imstande, uns als Wirt zu infizieren und zu schädigen. Dieses Coronavirus gehört zu den aggressiveren Viren. Es kann vor allem für gesundheitlich vorbelastete Personen und immungeschwächte ältere Menschen im schlimmsten Fall tödlich enden. Deshalb müssen wir gemeinsam seine Ausbreitung hemmen und Risikogruppen schützen – empathisch, ruhig, besonnen und achtsam.
Dafür müssen keine Grundrechte außer Kraft gesetzt werden.
Beginnen wir mit einer neuen Sprache
Wie fühlt es sich an, anstelle einer notwendigen „Durchseuchung“ unserer Gesellschaft von der „Immunisierung“ zu sprechen?
Was geschieht, wenn wir anstelle einer einzuhaltenden „Maskenpflicht“ uns entscheiden, einen „Mundschutz“ zur Hilfe gefährdeter Menschen zu tragen?
5 Wege, dank Corona das Potenzial zur persönlichen Entwicklung auszuschöpfen
- Corona führt uns die eigene Sterblichkeit vor Augen.
Wir wurden geboren, altern, erkranken und sterben. Das ist der Lauf des Lebens, mit und ohne Viren. Keiner weiß, wie viel Zeit uns noch bleibt. Daher sollten wir diese bewusster nutzen, um ein reiches und sinnerfülltes Leben im Einklang mit unseren Werten zu führen.
- Corona zeigt uns die Vergänglichkeit von Materie.
Alles Gewonnene wird eines Tages verloren gehen, alles Aufgebaute zusammenfallen. Nichts in der Welt der Materie ist von dauerhafter Natur. Das wird Vielen von uns, die vor allem wirtschaftlich unter der aktuellen Krise dramatisch leiden, schmerzlich bewusst. Je weniger wir an Materie anhaften, desto weniger leiden wir unter deren Verlust.
- Corona steigert unsere Dankbarkeit.
Wir leben in einem demokratischen Land mit funktionierendem Gesundheits- und Sozialsystem, in dem jeder Bürger ein Recht auf medizinische Versorgung und soziale Grundsicherung genießt. Das ist absolut keine Selbstverständlichkeit! Wie geht es vielen Menschen in den USA oder in Indien?
- Corona lässt uns spüren, dass wir soziale Wesen sind.
In Notlagen wird uns bewusst, wie sehr wir einander brauchen und wie schön es ist, füreinander da zu sein. Gemeinsam können wir Krisen bewältigen, uns gegenseitig Mut machen und Bedürftigen helfen. Vielleicht pflegen wir unsere Beziehungen künftig bewusster und gehen liebevoller miteinander um.
- Corona führt uns in die Gegenwärtigkeit.
Wir waren immer gewohnt zu planen, vorzusorgen, abzusichern. Corona zwingt uns nun dazu, mit Unsicherheit zu leben. Darin liegt eine riesengroße Chance: in den gegenwärtigen Moment einzutauchen und genau das zu tun, was jetzt gerade ansteht. Jeder Augenblick ist einzigartig und kommt nicht wieder zurück. Was die Zukunft bringt, ist ungewiss. Und das ist gut so.
Den eigenen Lebensstil verändern
Die mit Corona verbundenen Kontaktbeschränkungen und Ausgangssperren zwingen uns, mehr Zeit zu Hause zu verbringen. Noch nie zuvor haben so viele Menschen so oft täglich gekocht, Altlasten entrümpelt, ihr Zuhause renoviert und bewusst verschönert sowie Arbeitsplätze als Home-Office gestaltet. Viele schlafen länger als zuvor und können sich nach Jahren der Überlastung regenerieren.
Doch es gilt, diese neuen Gewohnheiten auch in der Zeit nach der Coronakrise aufrechtzuerhalten. Schätzen Sie auch künftig Ihr Zuhause als Refugium der Ruhe und gesunden Aktivitäten im Kreise Ihrer Liebsten. Integrieren Sie Ihren ayurvedischen Lebensstil in den neuen Alltag.
Raus aus der Schockstarre!
Der zweite Lockdown hat zu einer erneuten Entschleunigung unseres Alltags geführt. Doch spätestens im neuen Jahr, wenn die Beschränkungen wieder gelockert werden können, gilt es aktiv zu handeln und die eigene Zukunft zu gestalten. Warten Sie nicht, bis der Sturm vorbei ist. Investieren Sie jetzt in Ihre Weiterbildung, in neue Geschäftsideen, in neue Lebens- und Arbeitsmodelle. Und seien Sie kein Sparfuchs, sondern kurbeln Sie durch sinnvollen Konsum den Handel wieder an.
Unsere Entängstigung gelingt durch Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten und Flexibilität im aktiven Handeln und Reagieren auf Veränderungen. Wer weiterhin das tut, was er immer getan hat, wird weiterhin bekommen, was er immer bekommen hat. Sind Sie damit glücklich? Der Historiker Yuval Harari weist darauf hin, dass „wir nie wieder zurück können in die Welt, so wie sie vor dieser weltweiten Krise war, denn die Corona-Pandemie wird bleibende Spuren hinterlassen“.
Richtig. Aber wollen wir überhaupt dorthin wieder zurück?