Sadvritta: Ethik und Moral im Ayurveda

Auch im sonst eher beschaulichen Bad Homburg gibt es heute morgen nur ein Thema auf den Straßen: der grausame Anschlag in Nizza, bei dem viele Menschen ihr wertvolles Leben verloren. Liberté, Égalité, Fraternité – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit war das Motto der französischen Revolution 1789, derer jährlich am 14. Juli als Nationalfeiertag in Frankreich gedacht wird. Diese Losung wird heute erneut auf die härteste Probe gestellt.

Dieser Tag stimmt mich sehr traurig. Das Leid ist für Alle unermesslich groß: für die Opfer, die in Freude miteinander feiern wollten; für deren Angehörige, die in wenigen Sekunden ihre Geliebten verloren haben; für den oder die Täter, die in vollständiger geistiger Verwirrung und Unwissenheit handelten; für Ausländer und Muslime, die mit jedem Terrorakt zunehmend unter Generalverdacht gestellt werden; für unsere westlichen Gesellschaften, die immer mehr drohen zu entzweien.

Als einer der Repräsentanten ayurvedischer Medizin und Lebenskultur im Westen sehe ich es als meine Aufgabe an, ayurvedische Werte und Verhaltensempfehlungen mit Ihnen zu teilen. Künftig werde ich deshalb in meinem Blog nebst ayurvedischen Grundkonzepten verstärkt persönliche Geschichten und Weltereignisse ayurvedisch kommentieren und konkrete Vorschläge zu Veränderungen darstellen.

SADVRITTA bedeutet „rechtes Verhalten“ gemäß ethisch-moralischen Werten. Im Ayurveda gilt es Wissen um die Gesetze der Natur zu erlangen und dann im Einklang mit diesen glücklich zu leben – zum Wohle Aller. Die praktische Anwendung von Sadvritta im Alltag fördert Toleranz, Verständnis und Hilfsbereitschaft. Das größte WIN-WIN-Modell aller Zeiten…

Auf meinem heutigen Fußweg zu unserem Zentrum sah ich eine Mutter mit ihrer Tochter im französischen Café sitzen – die Tochter beschäftigte sich mit ihrem Smartphone und berichtete über die aktuellen Ereignisse in Nizza. Die Mutter sprach mit höchst abweisender Mimik parallel zu ihr und ich konnte immer wieder fremdenfeindliche Worte wie „ausweisen“ und „abschieben“ vernehmen. Eine Haltung, die keine Probleme kausal löst und Gräben nur vertieft.

Sadvritta zählt zur ayurvedischen Gesundheitslehre „Svasthavritta“ und beschreibt soziomoralische Aspekte gesunden Lebens. Durch Sadvritta betrachten wir unsere Gesundheit und unsere Lebensrealität aus einer größeren Perspektive, als Teil eines großen Ganzen, mit dem wir verbunden sind. Dadurch können wir unnötigem Stress, mentalen und psychosomatischen Erkrankungen wirksam vorbeugen.

Vor 2000 Jahren formulierte der Ayurveda sein Menschenbild wie folgt:

„Alle Aktivitäten der Wesen dienen dazu, Glück zu erlangen und Leid zu vermeiden. Aufgrund des Unterschiedes zwischen Erkennen und Nichterkennen aber gliedern sich die Aktivitäten in Wege und Abwege.”

Menschen sind nicht von Natur aus böse und terrorisieren Andersdenkende. Unter bestimmten Lebensumständen wie Armut, mangelnder Bildung und Wertschätzung, Gewalterfahrungen und menschlichen Enttäuschungen können in Jedem dunkle Anteile reifen und zu leidbringenden Handlungen führen.

Der Ayurveda fordert uns dazu auf, allen Menschen ungeachtet ihrer Herkunft, Hautfarbe oder Weltanschauung mit den Werten von Respekt, Toleranz und Hilfsbereitschaft achtsam zu begegnen. Das fällt nicht immer leicht, ist aber gerade in diesen Zeiten alternativlos. Die Kraft von Liebe und Mitgefühl wird immer stärker sein als diejenige von Zorn und Vergeltung.

Unter dem Begriff ACHARA RASAYANA werden im Ayurveda konkrete Regeln für ein edles, Harmonie und Glück erzeugendes Benehmen und Handeln beschrieben.

Gerne zitiere ich hierzu eine Passage aus unserer ayurvedischen „Bibel“, der Charaka Samhita:

  • „Man sollte weder ungeduldig noch forsch an die Dinge herangehen;
  • man sollte für einen angemessenen Unterhalt von abhängigen Personen besorgt sein;
  • man sollte seine Freude mit anderen teilen;
  • man sollte keinen unbequemen Charakter, Benehmen oder Erkrankung haben;
  • man sollte weder von anderen abhängig sein noch allen misstrauen;
  • man sollte nicht ständig zu pedantisch sein;
  • man sollte nicht die Gewohnheit entwickeln, alles zu verschieben oder sich, ohne Nachforschung, auf etwas stürzen;
  • man sollte nicht zum Sklaven seiner Sinne werden oder seinem unstetigen Geist freien Lauf gewähren;
  • man sollte weder Intellekt, Sinne oder Geist übermäßig belasten;
  • man sollte nicht versuchen, zu viele Dinge auf einmal zu erledigen;
  • man sollte nicht aufgrund von Wut oder Freude Sachen unternehmen;
  • man sollte nicht ständig Kummer leiden;
  • man sollte aufgrund von Erfolg nicht eingebildet noch aufgrund von Misserfolg verzweifelt werden;
  • man sollte sich immer an seine eigene Natur erinnern;
  • man sollte sich immer der Wechselbeziehung von Ursache und Wirkung bewusst sein und entsprechend handeln;
  • man sollte nicht von seinen eigenen Handlungen übermäßig voreingenommen sein;
  • man sollte den Mut nie aufgeben und Beleidigungen vergessen.“

Möge der Ayurveda seine zeitlosen und ortsunabhängigen Werte durch Anwender auf der ganzen Welt gerade in diesen, durch Hass und Misstrauen geprägten Zeiten verbreiten und leben.

Ich danke Ihnen von Herzen für die Zeit und Aufmerksamkeit, diese Zeilen zu lesen – und ihre Inhalte anzuwenden.

Mit den besten Wünschen für Ihre Gesundheit und persönliche Entwicklung,

Ralph Steuernagel

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