Demenz im Ayurveda: Vorsorge und Therapie

Ihre Persönlichkeit verändert sich, sie erinnern sich nicht mehr an ein gerade erlebtes Ereignis, fühlen sich zunehmend überfordert und verlieren das Interesse an bislang freudvollen Erfahrungen. Diese und weitere Zeichen können Vorboten einer Demenz sein, die zu den häufigsten Krankheitssyndromen im Alter zählt.

Die Liste prominenter Betroffener ist lang, ihr Umgang mit der Diagnose verschieden: Ronald Reagan erkannte nach 40 Jahren Ehe seine Frau Nancy nicht mehr, der ehemalige Schauspieler und Leiter der Äthiopienhilfe Karlheinz Böhm verschwieg bis kurz vor seinem Tod die schwere Demenz und der als Playboy verschriene Gunter Sachs wählte im Alter von 78 Jahren den Freitod, um das Fortschreiten der Erkrankung nicht erleben zu müssen.

Besonders bewegte 2012 das Schicksal des einstigen Machos und extrovertierten Fußballmanagers Rudi Assauer die Menschen. Assauer ging an die Öffentlichkeit und regte damit die Diskussion um den künftigen Umgang mit Demenz erneut an.

Was wissen wir heute über diese mysteriöse Krankheit und wie können wir sie ayurvedisch verstehen, vorbeugen und therapieren?

Wissenswertes über Demenz aus heutiger Sicht

Das Wort „Demenz“ setzt sich aus dem Lateinischen de = abnehmend und mens = Geist zusammen und beschreibt eine Gruppe von etwa 50 degenerativen Krankheiten des Gehirns, die langfristig zu einem Verlust der geistigen Leistungsfähigkeit führen.

In Deutschland leben rund 1,4 Millionen mit einer Demenz. Der Welt-Alzheimer Bericht 2013 blickt alarmierend in die Zukunft: in 2050 soll sich die Zahl der Demenzkranken von aktuell 35 Millionen auf 115 Millionen Menschen weltweit verdreifachen.

Für die Gesundheitssysteme aller Länder stellt diese Entwicklung eine der größten Herausforderungen dar, von deren Bewältigung auch Deutschland noch weit entfernt ist. Es fehlt an Langzeitstrategien, die eine bedarfsgemäße Pflege der Betroffenen sicherstellt.

Die häufigste Form von Demenz ist die Alzheimer-Krankheit, benannt nach dem Psychiater und Hirnforscher Alois Alzheimer, der 1906 erstmals in Tübingen „über einen eigenartigen schweren Erkrankungsprozess der Hirnrinde” referierte.

Primär betroffen sind das Kurzzeitgedächtnis, das Denkvermögen, die Sprache und die Motorik.

Einteilung demenzieller Erkrankungen

Die ICD-10 (Internationale Klassifikation der Krankheiten) unterscheidet zwischen vier Demenzgruppen:

  • Demenz bei Alzheimer-Krankheit: betrifft etwa zwei Drittel aller Demenzkranken
  • Vaskuläre Demenz: die Ursache liegt in Durchblutungsstörungen (Vorkommen bei ca. 1/5 aller Demenzkranken)
  • Demenz bei andernorts klassifizierten Erkrankungen: z.B. Demenz bei Morbus Parkinson
  • Sonstige Demenzen

Ursachen der Demenz

Die Ursachen einer Demenz hängen von dem konkreten Krankheitsbild ab. Während die Mechanismen der durchblutungsbedingten Formen weitgehend aufgeklärt sind, konnte die Wissenschaft die Ursachen von Morbus Alzheimer noch nicht detailliert entschlüsseln.

Bekannt ist, dass sich bereits Jahre vor dem Ausbruch einer Alzheimer-Erkrankung Eiweißbruchstücke, sogenannte Amyloid-Plaques, im Gehirn ablagern. Diese verhindern den Informationsaustausch zwischen den Nervenzellen. Folge des fortschreitenden Verlustes von Nervenzellen ist die Schrumpfung des Gehirns um bis zu 20%.

Hauptrisikofaktor ist das hohe Alter, Frauen sind häufiger betroffen. Weitere Risikofaktoren sind Depressionen, Durchblutungsstörungen, Bluthochdruck, erhöhte Homocysteinspiegel (eine Aminosäure), Diabetes mellitus, Alkoholsucht und Fettleibigkeit. Alzheimer tritt familiär gehäuft auf, genetische Faktoren spielen eine Rolle. Das Risiko für Geschwister oder Kinder von Erkrankten steigt vor allem, wenn die Krankheit frühzeitig ausbricht.

Alle neurodegenerativen Demenzerkrankungen schreiten voran, ihr Verlauf kann sich über mehrere Jahre erstrecken. Sie führen zu umfangreicher Pflegebedürftigkeit und einer verkürzten Lebenserwartung.

Erscheinungsbild und Verlauf von Morbus Alzheimer

Bis zu den ersten Zeichen einer Alzheimer-Erkrankung können bis zu drei Jahrzehnte vergehen, das Gehirn kann den Verlust an Nervenzellen lange Zeit kompensieren.

Betroffene leiden im Frühstadium unter zunehmendem Gedächtnisverlust, Namen und Begriffe fallen schwerer ein, die Konzentrations- und Urteilsfähigkeit lässt nach. Sie verlegen Gegenstände häufiger und können neue Informationen über die Zeitung oder das Fernsehen schlechter aufnehmen. Die Orientierungsfähigkeit nimmt ab, so findet man im Restaurant den Rückweg von der Toilette zum Tisch nicht wieder oder verläuft sich im Wald. Diese abnehmende Leistungsfähigkeit dauert 5-10 Jahre und erzeugt bei den Betroffenen Scham, Frustration und Angst. In der Folge entsteht häufig eine soziale Isolation, um in der Öffentlichkeit nicht aufzufallen.

Im mittleren Stadium verlieren die Betroffenen allmählich das Bewusstsein für ihre Krankheit, Vergesslichkeit und Orientierungslosigkeit nehmen weiter zu und auch die Sprache ist zunehmend beeinträchtigt. Termine und Daten werden durcheinander gebracht und die Erinnerung an wichtige Erfahrungen und Weggefährten im Leben verblasst. Die Persönlichkeitsveränderung ist für Angehörige schwer zu ertragen.

Das späte Stadium geht mit dem Verlust an sprachlicher Kommunikation und körperlichem Verfall einher. Es kommt zur Harn- und Stuhlinkontinenz, Infektanfälligkeit, Steifigkeit und pflegebedürftiger Bettlägerigkeit. Die Betroffenen verlieren das Zeitgefühl, können sich nicht mehr orientieren und erkennen ihre Angehörigen nicht mehr. Trotz all dieser traurigen Merkmale lassen sie sich zeitweilig durch altbekannte Klänge, Düfte und Gebete emotionalisieren.

Diagnose und Therapie von Demenz

Bisher gibt es kein Medikament, das irreversible Demenzen wie Alzheimer heilen kann. Vorhandene Arzneimittel zielen auf eine Symptomerleichterung und bestenfalls Verlangsamung des Fortschreitens ab.

Aus diesem Grund kommt der frühzeitigen Erkennung eine große Bedeutung bei. Je eher die Krankheit erkannt und behandelt wird, desto langsamer schreitet sie voran. Die Diagnose wird aus der Anamnese, der körperlichen Untersuchung, Labortests, neuropsychologischen Testverfahren und bildgebenden Verfahren wie CT oder MRT gestellt.

Therapeutisch steht die möglichst lange Erhaltung der Alltagskompetenz im Vordergrund. Hierzu kommen Verhaltenstherapie, Gedächtnis- und Hirnleistungstrainings ebenso zum Einsatz wie Physio- und Ergotherapie. Angehörige werden oft psychotherapeutisch unterstützt, um den Anforderungen einer Pflege und Begleitung der Betroffenen standhalten zu können.

Medikamentös werden Antidementiva zur Verbesserung der geistigen Leistungsfähigkeit, Antidepressiva und Neuroleptika zur Milderung von Verhaltensstörungen sowie bedarfsgemäß Arzneimittel zur Behandlung anderer Ursachen wie Durchblutungsstörungen verabreicht. Die medikamentöse Therapie kann Symptome lindern, weist jedoch erhebliche Nebenwirkungen auf und ist daher keine glückliche Lösung.

Demenz aus ayurvedischer Sicht

Die Ursache von Demenz liegt im Geist, ihre Auswirkungen machen sich zusätzlich im Körper und den Sinnen bemerkbar. Der Verlust des Erinnerungsvermögens wird im Ayurveda Smriti Bhramsha, der schleichende Abbau von Hirnmasse Majjakshaya genannt und bezieht sich auf das sechste von sieben Körpergeweben (Majja Dhatu = Knochenmark und Nervengewebe). Das vorherrschende Dosha ist Vata, welches Pitta und Kapha sekundär stören kann.

Im Ayurveda unterscheiden wir drei zentrale „Fakultäten“, also Fähigkeiten, des Geistes:

  • Buddhi = das Unterscheidungsvermögen
  • Dhriti = die Entschlossenheit und Willenskraft
  • Smrtit = das Erinnerungsvermögen

Unser Geist wird von den drei Eigenschaften Sattva, Rajas und Tamas geprägt:

  • Unter Einfluss von Sattva, dem Prinzip der mentalen Balance, funktionieren alle drei Fakultäten altersgerecht perfekt.
  • Rajas, das Prinzip von Spannung und Energie, fördert unsere geistigen Fähigkeiten selektiv zum Erreichen persönlicher Ziele und Vermeiden unerwünschter Erfahrungen.
  • Unter Einfluss von Tamas, dem Prinzip geistiger Trägheit und Dumpfheit, werden alle drei Fakultäten geschwächt.

Bei einer Demenz kommt es zur Abnahme aller drei geistigen Fakultäten mit Defiziten im kognitiven, emotionalen und sozialen Bereich. Demenzkranke können oft nicht mehr zwischen Traum, Vergangenheit und Realität unterscheiden (Buddhi Bhramsha) und halluzinieren. Der Verlust des Erinnerungsvermögens verhindert, Entscheidungen auf Basis vergangener Erfahrungen zu treffen.

Demenzprophylaxe – auf die Vorbeugung kommt es an

Ein bewusstes und der eigenen Gesundheit zuträgliches Leben im ayurvedischen Sinne kann die Wahrscheinlichkeit, eine demenzielle Erkrankung zu entwickeln, deutlich reduzieren.

Die bekannte Neurobiologin und Ayurveda Ärztin Vinod Verma beschreibt in ihrem Buch „Prevention of dementia“ 12 Risikofaktoren, die es zu kontrollieren gilt:

  • Übermäßiger und falscher Gebrauch der Sinnesorgane
  • Inkorrekte Schulter- und Nackenhaltung
  • Falsche Atmung
  • Blockade der Nasenatmung
  • Chronisch wiederkehrende Erkältungen mit Schleimansammlungen, Sinusitiden
  • Chronische Vata-Imbalance
  • Allgemeine Schwäche, tiefe Erschöpfung
  • Bluthochdruck
  • Häufige mentale Anspannung und Gefühl der Hilflosigkeit
  • Schockerfahrungen und Traumata
  • Leben in der Vergangenheit, Ängste vor der Zukunft
  • Sprunghafte Gedanken

Das Ziel gemäß Verma ist der Erhalt und Schutz von Nervenzellen, Gehirnmasse und Sinnesorganen und die Sicherstellung von deren gesunder Interaktion.

Ergänzende Methoden der Demenzprophylaxe sind eine ausgewogene Ernährung, regelmäßige Bewegung, berufliche und private Verwirklichung, aktives soziales Leben und Kontaktpflege sowie das tägliche Geistestraining.

Die Leistungsfähigkeit des Gehirns ist abhängig von seiner Nutzung. Deshalb sollte man immer wieder neue Herausforderungen suchen, ohne sich dabei zu überfordern. Neue Sprachen zu erlernen, einen Computer einzurichten und zu bedienen, sich auch im höheren Alter stetig weiterzubilden können wertvolle „Trainings“ gegen Demenz sein.

Meditation ist das beste Training für den Geist, das im Ayurveda empfohlen wird. Dadurch können Spannungen reguliert, der Geist zentriert, der Körper kontrolliert, die Sinne regeneriert und Emotionen gelöst werden.

Ahara – die ayurvedische Ernährungsmedizin bei Demenz

Mediterrane Ernährung stellt aus westlicher Sicht eine gute Demenzprophylaxe dar: viel Gemüse, Obst, Olivenöl, Fisch und Vollkornbrot werden empfohlen. Die im fetten Fisch hochkonzentriert enthaltenen Omega-3-Fettsäuren werden auch als Nahrungsergänzung empfohlen, für Vegetarier und Veganer kommen Meeresalgenprodukte alternativ zum Einsatz.

Aus ayurvedischer Sicht ist Ghee als das beste Fett für unser Nervensystem täglich zu empfehlen. Dieses sollte durch Olivenöl und ein Nuss-/Kernöl (Beispiel Walnussöl) ergänzt werden.

Das Mahlzeitensystem, die Wahl der Nahrungsmittelgruppen und ihrer Mengenverhältnisse erfolgt im Ayurveda immer individuell anhand des Menschen und nicht nur anhand seines Krankheitsbildes. Deshalb ist hier eine pauschale Empfehlung bei Demenz nicht möglich.

Um das erhöhte Vata und Luftelement zu reduzieren, sollte regelmäßig warme, ölige und nährende Kost verzehrt werden.

Vihara – die ayurvedische Ordnungstherapie bei Demenz

Demenzkranke brauchen geregelte Tagesabläufe mit regelmäßigen Esszeiten, aktiven und passiven Elementen.

Die Wirkung von Musik und Kunst ist seit einiger Zeit bekannt und kann in jedem Demenzstadium lindernd wirken. So ist das gemeinsame Singen und Musizieren stark emotionalisierend und verstärkt positive Gefühle.

Vastu Shastra, die vedische Lehre vom gesunden Wohnen, kann als „ayurvedische Milieutherapie“ herangezogen werden. Diese zielt primär auf die Gestaltung von Wohnräumen zur Steigerung des Wohlbefindens der Betroffenen ab. Farben, Stoffe und Mobiliar können dieses stark beeinflussen und positive Erinnerungen wecken.

Aushadha – die ayurvedische Pflanzenheilkunde bei Demenz

Die Therapie mit Heilpflanzen zielt darauf ab, den Stoffwechsel im Nervengewebe zu verbessern, einer cerebralen Degeneration vorzubeugen und die Leistungsfähigkeit aller Nervenzellen zu optimieren.

Hierfür kommen folgende Heilpflanzen mit antidementiver Wirkung zur Anwendung:

  • WITHANIA SOMNIFERA = ASHWAGANDHA (Winterkirsche)
  • CURCUMA LONGA = HARIDRA (Gelbwurz)
  • BACOPA MONNIERI = BRAHMI (Kleines Fettblatt)
  • CONVOLVULUS PLURICAULIS = SHANKHAPUSHPI (Ackerwinde)
  • CENTELLA ASIATICA = MANDUKAPARNI (Indischer Wassernabel)
  • CELASTRUS PANICULATUS = JYOTISHMATI (Baumwürger)
  • NARDOSTACHYS JATAMANSI = JATAMANSI (Indische Narde)
  • ACORUS CALAMUS = VACHA (Kalmus)
  • GLYCYRRHIZA GLABRA = YASHTIMADHU (Süßholz)
  • TINOSPORA CORDIFOLIA = GUDUCHI

Viele Wirkmechanisamen dieser Pflanzen konnten in wissenschaftlichen Studien belegt werden, hier drei Beispiele:

  • Ashwagandha wirkt kognitions- und gedächtnissteigernd, adaptogen und verbessert die Anpassung an innere und äußere Stressoren. Ihre Withanamide hemmen freie Radikale, beugen der Amyloidbildung vor und blockieren das durch Amyloidablagerungen begünstigte Absterben von Nervenzellen.
  • Curcuma wirkt der Anhäufung von Amyloid-Plaques entgegen und reduziert vorhandene. Zudem stellt es eines der effektivsten Mittel zur Entzündungshemmung und Reduktion freier Radikale dar.
  • Brahmi verbessert kognitive Funktionen, stärkt das Gedächtnis und schützt Neurone vor dem amlyoidinduzierten Zelltod durch Hemmung der zellulären Acetylcholinesterase Aktivität.

Die genaue Zusammenstellung der in Frage kommenden Heilpflanzen muss von einem erfahrenen Ayurveda Diagnostiker und Therapeuten vorgenommen werden. Ich rate dringend von einer Selbstmedikation ab, die auch nachteilhafte Folgen haben kann.

Dass die genannten Pflanzen eine positive Wirkung auf das zentrale Nervensystem (ZNS) hinsichtlich der Demenzproblematik ausüben, ist mittlerweile unumstritten. Eine zentrale Fragestellung bleibt jedoch noch unzureichend beantwortet: können die pflanzlichen Wirkstoffe die Blut-Hirn-Schranke überwinden und damit das ZNS erreichen?

Zur Klärung dieser wichtigen Frage sind weitere Studien und Forschungen erforderlich. Bis dahin bauen wir auf die umfangreichen Erfahrungswerte aus klassisch-ayurvedischer Sicht. Interessant hierbei ist, dass der Ayurveda zur Therapie des Nervensystems sehr oft fettige Zubereitungen auf Basis von Ghee oder Sesamöl verwendet und diese nicht nur oral, sondern auch über die Nase und die Haut verabreicht. Aus westlicher Sicht kann dies ein Weg sein, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden.

Mit den besten Wünschen für Ihre Gesundheit,

Ralph Steuernagel

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